Gadgets: Taschenrechner

Hilfsmittel zum Rechnen gibt es schon sehr lange. Zuerst waren sie mechanisch, dann elektromechanisch und am Ende dann elektronisch. Dass die Miniaturisierung der Elektronik irgendwann dazu führen würde, dass man einen Rechner in die Tasche stecken kann, war spätestens seit der Erfindung des Transistors absehbar. Trotzdem entstand der erste Taschenrechner zunächst nicht mit dem Ziel, ein Produkt daraus zu machen, sondern eher um zu demonstrieren, was technisch machbar ist. Und das kam so:

Im Juli 1958 gelang es Jack Kilby, Ingenieur beim amerikanischen Elektronikhersteller Texas Instruments, erstmals mehrere elektronische Bauteile auf einem einzigen Halbleiterplättchen zusammenzufassen. Der integrierte Schaltkreis war erfunden. Das neue Bauteil wurde zwar rasch vermarktet und beispielsweise in Großcomputern und beim Militär verwendet, in Produkten für den Massenmarkt tauchte es zunächst noch nicht auf - was sicher auch Kostengründe hatte. Ein simpler Flip-Flop (ein elektronischer Ein-Aus-Schalter, SN502 benannt) kostete 1960 noch über 400 Dollar.

1965 war Texas Instruments auf der Suche nach einem Demonstrationsgerät, das das Potenzial der integrierten Schaltungen zeigen sollte. Kilby kam gemeinsam mit anderen Mitarbeitern auf die Idee, einen miniaturisierten Rechner zu bauen. Das Cal-Tech-Projekt war geboren. Zwei Jahre später war ein Prototyp fertig: Das batteriebetriebene Gerät steckte in einem Gehäuse aus Aluminium und hatte typische „Computertasten“ zur Bedienung. Anstelle einer Anzeige war ein Drucker eingebaut, der einen schmalen Thermopapierstreifen bedruckte. Das jeweils letzte Ergebnis konnte man durch ein kleines Sichtfenster im Gehäuse auf dem Streifen ablesen, mit dem nächsten Druck wurde der Streifen dann durch einen Schlitz links aus dem Gehäuse geschoben.

Zunächst blieb es bei dem einen Prototyp, der heute im Smithsonian Institute aufbewahrt wird. Das Deutsche Museum in München zeigt einen Nachbau.

Um den Rechner auf den Markt zu bringen, besorgte sich TI Schützenhilfe von Canon, die den Drucker und einige weitere Komponenten beisteuerten. Das fertige Gerät kam als Canon Pocketronic im April 1970 in Japan auf den Markt, ab dem Herbst des gleichen Jahres konnte man es auch in den USA kaufen. Das Gerät steckte nun in einem Plastikgehäuse, ansonsten gab es keine großen Unterschiede gegenüber dem Prototyp. Leider hatten TI und Canon die Chance verpasst, den neuen Markt allein zu bedienen - inzwischen hatten andere Hersteller ebenfalls batteriebetriebene Rechner entwickelt, beispielsweise Busicom, Sanyo und Sharp. Einige hatten anstelle des Druckers sogar schon eine Leuchtanzeige.

Allen gemeinsam war jedoch die Größe: Im Schnitt waren die Geräte 20 cm hoch, 12 cm breit und um die 6 cm dick. Damit taugten sie vielleicht für die Akten- aber ganz sicher nicht für die Hemdtasche. Alle kosteten etwa 400 Dollar.

TI machte sich an die weitere Miniaturisierung. Im September 1971 präsentierte TI einen kleinen Chip mit 28 Beinchen, der alle Funktionen eines Taschenrechners enthielt. An den TMS1802NC mussten nur noch die Stromversorgung, eine Tastatur und ein Display angeschlossen werden, fertig war der Taschenrechner. In großen Stückzahlen kostete der Chip gerade einmal 20 Dollar. Ein erstes Produkt mit diesem Chip gab es auch schon: Den Bowmar 901B, den es auch als Commodore C110 zu kaufen gab. Mit 14 cm x 8 cm x 4 cm und einem Preis von 240 Dollar immer noch ein ziemlicher Brocken, aber schon deutlich schlanker als seine Vorfahren.

Erst ein Jahr später brachte TI dann den ersten Rechner unter eigenem Namen auf den Markt, den TI-2500 Datamath. Kleiner als das Modell von Bowmar war er nicht, aber nur halb so teuer. Und damit kam der Taschenrechner-Markt in Bewegung. Überall konnte man schon bald vergleichbare Taschenrechner kaufen - alle ausgestattet mit einer Leuchtanzeige und den vier Grundrechenarten.

Die Innovationen folgten nun Schlag auf Schlag:

Ebenfalls 1972 brachte Hewlett Packard seinen ersten Taschenrechner auf den Markt. Der HP 35 war mit 400 Dollar recht teuer, beherrschte dafür aber trigonometrische Funktionen, Logarithmen, Exponentenrechnung und konnte Wurzeln ziehen. Es war der erste wissenschaftliche Taschenrechner auf dem Markt.

1973 kam der Sharp EL-805 mit einer silbernen Flüssigkristallanzeige auf den Markt. Im Gegensatz zu Taschenrechnern mit Leuchtanzeige brauchte er nur noch ein Hundertstel der Energie und kam dadurch viel länger mit einer Batterieladung aus. So bestechend dieser Vorteil war, so waren Rechner mit LC-Display anfangs noch deutlich teurer und standen im Ruf, nicht so haltbar zu sein. Erst gegen Ende des Jahrzehnts starben die Leuchtanzeigen nach und nach aus.

Ebenfalls 1973 war es erneut HP, die mit dem HP80 einen neuen Taschenrechnertyp erfanden: Den Business-Rechner mit Funktionen z.B. zur Zinseszinsrechnung.

1974 brachte HP den ersten programmierbaren Taschenrechner heraus. Der HP65 hatte einen kleinen Magnetkartenleser und -schreiber eingebaut, mit dem Programme gespeichert und wieder eingelesen werden konnten. Texas Instruments baute mit dem TI-59 ein sehr ähnliches Modell, das äußerst erfolgreich wurde.

1976 begannen Taschenrechner die Schulen zu erobern. TI hatte mit dem TI-30 ein Modell im Angebot, das in den USA nur 25 Dollar kostete. In Deutschland schafften Schulen die Rechner in Klassensätzen an, die in Metallkoffern aufbewahrt wurden. Die Schüler bekamen die Geräte nur zum Unterricht ausgehändigt. Der TI-30 verkaufte sich so gut wie kein anderer Taschenrechner davor oder danach. Bis 1983 wurden 15 Millionen Exemplare gebaut!

1979 war der HP-41 nicht nur HPs erster Taschenrechner mit LC-Display sondern auch das erste Modell, das auch Buchstaben anzeigen konnte. Dies erleichterte die Programmierung erheblich.

In den 80er Jahren wurden fast nur noch Taschenrechner mit LC-Display hergestellt. Die Preise für ein einfaches Modell fielen auf wenige Mark und auch technisch wissenschaftliche Rechner waren mit weniger als 100 Mark erschwinglich geworden. Im Jahr 1985 brachte Casio den FX-7000G auf den Markt, den ersten Taschenrechner mit grafischem Display. Auf einem fast quadratischen Bildschirm konnten wahlweise 8 Zeilen à 16 Zeichen Text oder ein Funktionsgraph mit 96 x 64 Pixeln angezeigt werden. Technisch waren der FX-7000G und seine Nachfahren kleine Computer mit ähnlichem Prozessor wie damals gängige Heim- und Personalcomputer (für Techies: Meist war da ein Z80 am Werk).

Es kamen noch weitere, höher entwickelte Taschenrechner auf den Markt, z.B. der HP-48G mit der Fähigkeit, Ausdrücke auch symbolisch zu verarbeiten und Kurvendiskussionen fast automatisch durchzuführen - aber das konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die große Zeit der Taschenrechner abgelaufen war. Wer beruflich viel mit Mathematik zu tun hat, verwendet heute meist ein PC-gestütztes Mathematikprogramm, das noch weit leistungsfähiger als jeder Taschenrechner ist. Und für Schüler tut’s ein vergleichsweise einfaches Modell, mehr ist (zumindest in Klausuren) auch nicht erlaubt. Die Hersteller haben darauf reagiert und bieten seit fast einem Jahrzehnt technisch nahezu unveränderte Modelle an. HP hat 2001 die Entwicklungsabteilung für Taschenrechner sogar geschlossen. Neue Modelle stammen nicht mehr von HP, sondern von einem taiwanesischen Hersteller und werden nur unter dem HP-Logo verkauft.