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Lochkartenverarbeitung

Mit Löchern versehene Kartonkarten oder -streifen waren schon seit dem 18. Jahrhundert bekannt. Sie dienten bereits damals als Datenträger, allerdings jeweils zu einem ganz bestimmten Zweck. Zunächst wurden damit Webstühle gesteuert, die dadurch vollautomatisch komplexe Muster weben konnten. Später dienten sie der Steuerung automatischer Musikinstrumente bis hin zu riesigen Orchestrien mit mehreren Instrumenten und beweglichen Figuren.

Der deutschstämmige Ingenieur Hermann Hollerith arbeitete Ende des 19. Jahrhunderts bei der Auswertung der 10. amerikanischen Volkszählung mit. Dabei lernte er die Unzulänglichkeiten der manuellen Verarbeitung der gewaltigen Datenmengen kennen. Insgesamt dauerte die Auswertung sieben Jahre.

Er dachte sich 1882 eine technische Lösung für derartige Aufgaben aus, die bei der Auswertung der 11. Volkszählung 1890 auch tatsächlich zum Einsatz kam. Seine Grundidee war die Übertragung der erfassten Daten auf Lochkarten. Die Daten von jeweils einer Person wurden auf einer Kartonkarte in Form von Löchern erfasst. Auf den ersten Blick erscheint das widersinnig, immerhin war dieser Zwischenschritt ja auch mit erheblichem Aufwand verbunden. Dafür ging die Auswertung dann rasend schnell: Die Lochpositionen wurden in einem Erfassungsgerät Karte für Karte elektromechanisch abgetastet und auf Zählräder übertragen. Die Summen waren damit direkt ablesbar. Mit dieser Hilfe war die Volkszählung nach zweieinhalb Jahren bereits komplett ausgewertet.

Hollerith verfeinerte das von ihm erfundene Grundprinzip noch weiter und machte es zur Grundlage seiner eigenen Firma. Spätere Versionen seiner Lochkartenautomaten konnten einen ganzen Kartenstapel vollautomatisch verarbeiten. Außerdem enthielten sie Rechenwerke, um Daten auch quantitativ erfassen und bewerten zu können. Ab 1910 wurden die Geräte von der neu gegründeten Firma DEHOMAG (Deutsche Hollerith Maschinen AG) in Lizenz vertrieben. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde aus der DEHOMAG die Deutsche Niederlassung von IBM, nachdem bereits zuvor in den USA Holleriths "Tabulating Machines Corp." In der IBM aufgegangen war.

Lochkarten im Format 18,7 cm x 8,3 cm mit einem Ziffernfeld in der Größe einer 1-Dollar-Note wurden zum Standard. Auf ihnen wurden 80 Spalten aufgedruckt, die jeweils die Ziffern von 0 bis 9 übereinander enthielten. Mit einer Karte konnten also 80 Ziffern codiert werden. Die Löcher wurden grundsätzlich mit Maschinen erzeugt. Viele Lochkartenautomaten erzeugten auch ihre Ausgaben auf Lochkarten.

Tabelliermaschinen

Die Lochkartenautomaten wurden im Laufe der Zeit zu beachtlicher Reife weiterentwickelt. Um die damals schon hohen Anforderungen an die Massendatenverarbeitung befriedigen zu können, mussten die Daten auf die verschiedensten Arten gezählt, aufsummiert und miteinander verknüpft werden. Um die teure Mechanik nicht nur für eine bestimmte Aufgabe nutzen zu können, wurden die Maschinen mit Steckfeldern ausgestattet, über die die gewünschten Rechenoperationen konfiguriert werden konnten. Durch Austausch des ganzen Steckfeldes konnte die Maschine schnell auf ein anderes "Anwendungsprogramm" umgerüstet werden.

Solche Lochkartenautomaten wurden Tabelliermaschinen genannt. Die Konfigurierung kann man als Vorstufe einer Programmierung ansehen.

Angewendet wurden Tabelliermaschinen in der Fakturierung (Rechnungsstellung), der Lohnbuchhaltung, bei Kontenberechnungen von Banken und bei Versicherungen.

Um die Tabelliermaschinen herum gruppierte sich in den meisten Firmen ein ganzer Maschinenpark, der Lochkarten sortieren, mischen, stanzen oder kopieren konnte. Und dazu kamen die Datenerfassungsgeräte, an denen die meistens zuvor schriftlich vorliegenden Daten auf Lochkarten übertragen wurden.

Auf diese Art wurde beginnend etwa mit dem Jahr 1900 Datenverarbeitung betrieben - lange bevor an Computer überhaupt zu denken war. Erst in den 1960er Jahren kamen die Tabelliermaschinen durch Computer immer mehr in Bedrängnis. Trotzdem dauerte es noch bis in die frühen 80er Jahre, bis die letzten Tabelliermaschinen ausgemustert wurden. Es ist erstaunlich, dass eine Technologie, die drei Generationen lang die Datenverarbeitung beherrscht hat, inzwischen fast vollständig in Vergessenhait geraten ist.