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Das privat organisierte Internet

Fast genauso lange wie es Computer für zuhause gibt, gibt es auch schon den Wunsch, diese zum Austausch von Daten und Programmen miteinander zu verbinden. In den meisten Ländern diente dazu ganz selbstverständlich das vorhandene Telefonnetz. Die dafür notwendige Hardware wurde "Akustikkoppler" genannt und bestand im Wesentlichen aus einem Lautsprecher, der Daten in Form von Pfeiftönen in die Sprechmuschel abgibt und einem Mikrofon, das ebensolche Pfeiftöne aus der Hörmuschel aufnimmt und wieder in digitale Daten übersetzt.

Das funktionierte recht gut mit bis zu 300 Bit pro Sekunde. Dabei kamen pro Sekunde also rund 30 Buchstaben über die Leitung, eine Menge bei der man bequem mitlesen konnte. Höhere Übertragungsraten erforderten ein Modem, mit dem anfangs 1200 Bit/s, am Ende der Entwicklung sogar 56000 Bit/s möglich waren.

In Deutschland startete die Entwicklung mit deutlicher Verzögerung, weil die Post (später die Telekom) ein Monopol auf alle Gerätschaften hatte, die mit dem Telefonnetz verbunden werden. Das schloss kurioserweise auch Akustikkoppler ein, obwohl die im eigentlichen Sinne gar nicht verbunden wurden. Damit ein Gerät am Telefonnetz betrieben werden durfte, musste es eine amtliche Zulassung haben, ein sogenanntes FTZ-Siegel. Die Hersteller ließen sich das vergolden und so kostete ein Akustikkoppler fast überall auf der Welt umgerechnet rund 100 Euro - in Deutschland jedoch eher 500 Euro. Weite Verbreitung fanden dann eigentlich erst die Modems, nachdem in den 90er Jahren plötzlich beliebige Geräte ans Telefonnetz angeschlossen werden durften.

Akustikkoppler und Modems waren gut geeignet, dass zwei Personen ihre Computer miteinander über fast beliebige Distanz verbinden und Daten austauschen konnten. Das konnten Bilder, Programme oder Texte sein. Mit einem Terminal-Emulationsprogramm konnte man ohne weitere Hilfsmittel miteinander chatten.

Wesentlich interessanter waren jedoch die sogenannten Mailboxen. Dahinter steckten meist Privatpersonen, die Ihren Computer dauerhaft eingeschaltet ließen und die meist über mehrere Telefonleitungen eine Einwahl per Modem erlaubten. Auf dem Computer lief dann eine spezielle Software, die dem Besucher eine Textoberfläche mit Menünavigation präsentierte. So konnte man sich auf der Mailbox bewegen, ähnlich wie man es heute auf einer Homepage tut.

Typische Anwendungen einer Mailbox war ein Online-Chat der gerade verbundenen Personen, der Austausch von Mails über elektronische Postfächer (daher auch der Name "Mailbox"), Diskussionsforen und natürlich der Up- und Download von Software. Meist gehörte die Software zur damals florierenden Free- und Sharewareszene. Manche Mailboxen hatten aber auch einen geschlossenen Bereich, über den Raubkopien getauscht wurden.

Im Laufe der Zeit entstanden Systeme, um die Mailboxen miteinander zu verbinden und so auch einen weltweiten Mailaustausch und Foren mit hunderten von Teilnehmern zu ermöglichen. Die so gebildeten Netzwerke hießen beispielsweise "Fidonet" oder "Mausnetz".

Manche Mailboxen schufen auch eine Verbindung zum "Usenet", also den Zugriff auf die Diskussionsforen des Internet. Häufig wurde in diesem Zuge auch der E-Mail-Austausch mit dem Internet ermöglicht. Auf Webseiten surfen konnte man darüber allerdings noch nicht.

Ein Hemmnis für die Nutzung der Mailboxen waren die Telefontarife, die nach Zeit abgerechnet wurden. Um die Kosten zu dämpfen, konnte man für die gängigen Netze mit speziellen Clientprogrammen arbeiten. In diesen konnte man Mails und Newsbeiträge offline schreiben und dann später alles auf einmal verschicken. Bei dieser Gelegenheit wurde auch auf neue ankommende Mails geprüft, die Newsforen synchronisiert und danach die Verbindung wieder schnell getrennt.

Diese privat organisierten Netze existierten einige Jahre lang parallel zu den kommerziellen Onlinediensten wie BTX, AOL oder Compuserve. Erst als diese den Schritt zum Internetprovider machten und Ihren Kunden den Zugang per Webbrowser ermöglichten, setzten sie sich auf breiter Front durch und viele Computerbesitzer schafften sich erst jetzt - gegen Ende der 90er Jahre - ein Modem an. Die privaten Netze wurden in eine Nischenexistenz zurückgedrängt. Das Fidonet erreichte 1996 mit weltweit rund 40000 vernetzten Systemen seinen maximalen Ausbau. Danach ging die Verbreitung schnell zurück, einige Systeme haben aber bis heute durchgehalten.